Werkzeughalter initiiert den Werkzeugwechsel
Lennart Riehle, pro-micron
Hat das Werkzeug sein Ende der Standzeit wirklich schon erreicht? Diese Frage stellen sich täglich viele Maschinenbediener und Prozessingenieure. Mit einem sensorischen Werkzeughalter lässt sich die Frage ohne Unterbrechung des Prozesses klären. Die Produktivität in der Zerspanung von Präzisionsbauteilen wird deutlich verbessert.
Bei qualitätssensiblen Werkstücken wird der laufende Zerspanungsprozess oft unterbrochen, um Werkzeug und Werkstück zu vermessen. Das ist zeitaufwendig und hält den Fertigungsprozess auf Kosten der Produktivität auf. Anstelle eines gewöhnlichen Werkzeughalters können mit Hilfe eines sensorischen Werkzeughalters die Wirkkräfte gemessen werden. Bei der Herstellung von Motorblöcken oder Getrieben steht Präzision an oberster Stelle. Für den Gewindefräsprozess ist der Werkzeugzustand entscheidend. Das Werkstück durchläuft eine Vielzahl von Bearbeitungsschritten, und ein einzelner Gewindefräsvorgang kann über gut (IO) oder schlecht (NIO) entscheiden. Das Werkstück wird im Dreischichtbetrieb in fünfstelliger Zahl pro Jahr hergestellt. Für den Prozess wird ein siebenschneidiger Gewindefräser mit 13 Zähnen pro Schneide eingesetzt. Ein Wechsel des Werkzeugs aufgrund des tatsächlichen Verschleißes bedeutet eine deutliche Erhöhung der Produktivität und Senkung der Kosten.
Im Versuch wurde die Aufgabe gestellt, den Werkzeugwechsel erst anhand des tatsächlich erfolgten Verschleißes zu initialisieren. Dafür wurde anstelle des gewöhnlichen Werkzeughalters ein sensorischer Werkzeughalter eingesetzt. So konnten die am Werkstück entstehenden Kräfte während des Bearbeitungsprozesses direkt gemessen werden. Durch das mit der Maschinen-schnittstelle verbundene System kann durch einen Befehl im Maschinenprogramm die Messung zum vordefinierten Zeitpunkt initialisiert und mitgeschrieben werden.
Die Daten, als Biegemoment in Form des Polarplots dargestellte Kraftpunkte, zeigen, wie mit zunehmendem Einsatz des Werkzeugs die Fläche des Polarplots im Koordinatensystem zunimmt. Parallel wurden eingesetzte Werkzeuge verschleißbezogen vermessen und der jeweils erreichten Anzahl von Fräsvorgängen zugeordnet. Deutlich erkennbar war, dass die einzelnen Werkzeuge keine Korrelation zwischen gemessenem Verschleiß und der Anzahl der Fräsvorgänge aufweisen. Auf diese Weise müsste weiterhin jedes Werkzeug und Werkstück im Prozess vermessen werden oder die geringste Anzahl Fräsvorgänge als Werkzeugtauschinitiator verwendet werden. In den meisten Fällen würde die Standzeit des teuren Werkzeugs nicht ausgeschöpft.

Neuwertiger Werkzeugzustand, dargestellt in Blau, und zunehmender Verschleiß in den Farben Gelb, Violett, Grün, Türkis Lila und Braun
Um einen alternativen Weg zu beschreiten, wurden die mit erzeugten Polarplots in einen Key Performance Indikator, eine Flächenkennzahl, umgerechnet und dem tatsächlich gemessenem Werkzeugverschleiß gegenübergestellt.
Dadurch wird die Korrelation zwischen Flächenkennzahl und Verschleiß deutlich. Nun bietet es sich an, den Werkzeugwechsel durch die auf dem Biegemoment basierende Kennzahl zu veranlassen, da das der Zeitpunkt ist, an dem das Werkzeug noch nachgeschliffen werden kann oder es aus dem Verkehr zu nehmen ist.
Voraussetzung für die richtige prozessspezifische Festlegung der KPI-Schwellenwerte ist die Erfahrung, welche tatsächlich gemessenen Verschleißzustände die Fertigung von IO-Teilen erlauben.
Mit dem sensorischen Werkzeughalter von Pro-micron als Monitoringtool mit Überwachungsfunktion und Maschinenschnittstelle können im Dauerbetrieb tatsächliche wirkende Kräfte zu Qualitäts-zwecken dokumentiert und für den dynamischen Werkzeugwechsel genutzt werden. Werkzeug-performance kann anhand von Messdaten statistisch ausgewertet werden, um die optimale Werkzeugbeschaffenheit zu bestimmen.
Die erhobenen Daten bieten sich als Prozess-KPI für maschinenübergreifende Daten an und könnten sich in Analysen der Maschinenperformance gewinnbringend einreihen.
Die Umsetzung von Industrie-4.0-Ansätzen im Zerspanungsunternehmen mit Hilfe des sensorischen Werkzeughalters liegt nahe. Der sensorische Werkzeughalter ist lieferbar als Interpretations-, Konfigurations- und Algorithmusmodul, in das zukünftig verschiedene Sensorsysteme integriert werden können.
