Sensible Roboter: Verbesserte Wahrnehmung durch künstliche Haut
Sensible künstliche Haut ermöglicht Robotern, ihren Körper und ihre Umgebung zu fühlen. Für den engen Kontakt mit Menschen ist das entscheidend. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat ein von biologischen Vorbildern inspiriertes System aus künstlicher Haut und Steuerungsalgorithmen entwickelt. Dadurch konnte erstmals ein menschengroßer autonomer Roboter großflächig mit künstlicher Haut versehen werden.
Die von Prof. Gordon Cheng – Professor für Kognitive Systeme an der TUM – und seinem Team entwickelte künstliche Haut setzt sich aus sechseckigen Zellen zusammen, die etwa die Größe einer Zwei-Euro-Münze haben. Jede ist mit einem Mikroprozessor und Sensoren ausgestattet, die Berührung, Beschleunigung, Annäherung und Temperatur messen. Durch solche künstliche Haut können Roboter ihre Umwelt viel detaillierter und feinfühliger wahrnehmen. Das hilft ihnen nicht nur dabei, sich sicher zu bewegen. Es sorgt auch dafür, dass die Maschinen sicherer im Umgang mit Menschen sind und Unfälle aktiv vermeiden können.
Prof. Gordon Cheng, Foto: Astrid Eckert / TUM
Die Hautzellen selbst hat Gordon Cheng vor rund zehn Jahren entwickelt. Das größte Hindernis bei der Entwicklung der Roboterhaut als Ganzes war bislang die Rechenkapazität. Die menschliche Haut hat rund fünf Millionen Rezeptoren. Will man die Daten aus Sensoren in künstlicher Haut permanent auswerten, werden schnell Grenzen deutlich. Bisherige Systeme waren schon mit Daten aus einigen Hundert Sensoren ausgelastet.
Um dieses Problem zu lösen, hat das Team um Cheng einen NeuroEngineering-Ansatz gewählt. Dabei werden die Hautzellen nicht permanent überwacht, sondern nutzen ein sogenanntes ereignisbasiertes System. So lässt sich der Rechenaufwand um bis zu 90 Prozent reduzieren. Der Trick: Einzelne Zellen geben Informationen ihrer Sensoren nur weiter, wenn Messwerte sich ändern. Unser Nervensystem arbeitet ähnlich. Beispielsweise spüren wir einen Hut in dem Moment, in dem wir ihn aufsetzen, gewöhnen uns aber schnell an ihn. Da es keine Notwendigkeit gibt, den Hut permanent zu beachten, werden wir erst wieder auf ihn aufmerksam, wenn er uns vom Kopf weht. Unser Nervensystem kann sich dadurch auf neue Eindrücke konzentrieren, auf die der Körper reagieren muss.
Durch diesen ereignisbasierten Ansatz konnte erstmals ein menschengroßer autonomer, nicht auf externe Berechnungen angewiesener, Roboter mit künstlicher Haut ausgestattet werden. Der Roboter H-1 ist mit insgesamt 1260 Zellen und dementsprechend mehr als 13.000 Sensoren an Oberkörper, Armen, Beinen und sogar auf den Fußsohlen ausgestattet, die für ein neues „Körpergefühl“ sorgen. Beispielsweise hilft die Haut auf den Fußsohlen H-1, auf Unebenheiten im Boden zu reagieren und sogar auf einem Bein zu balancieren.
Durch die Haut ist H-1 in der Lage, einen Menschen sicher zu umarmen. Das ist weniger trivial als es klingt: Roboter können Kräfte ausüben, die Menschen schwer verletzen würden. Bei Umarmungen hat ein Roboter an vielen verschiedenen Punkten Kontakt mit einer Person und muss aus diesen komplexen Informationen sehr schnell die richtigen Bewegungen und den passenden Kraftaufwand berechnen. „In der Industrie mag das weniger wichtig sein, aber in Bereichen wie der Pflege müssen Roboter auf einen sehr engen Kontakt mit Menschen ausgerichtet sein“, erklärt Gordon Cheng.
Kontakt:
Prof. Dr. Gordon Cheng
Technische Universität München
Lehrstuhl für Kognitive Systeme
Tel: +49 (89) 289-25765
borngesser@tum.de
Bild links:
Durch künstliche Haut können Roboter ihre Umwelt
viel detaillierter und feinfühliger wahrnehmen.
Foto: Astrid Eckert / TUM
