Mobile Roboter für die Nachschubversorgung

Florian Wahl, Magazino GmbH

Mit dem Einzug von (spurgebundenen) fahrerlosen Transportsystemen (FTS) in der Intralogistik wurde der Grundstein gelegt, den gesamten Materialbereitstellungsprozess zu automatisieren. Eine der Herausforderungen dabei ist die Automatisierung von Ein- und Auslagerungsprozessen, die aufgrund der zusätzlichen Handhabungstechnik einen höheren Komplexitätsgrad aufweisen.

Bisher wurden mit dem Begriff Robotik stationäre, wenig intelligente Maschinen verbunden, deren Aufgabe es war, einfache repetitive Handgriffe mit hoher Präzision und Geschwindigkeit auszuführen. Für die meisten logistischen Tätigkeiten ist diese Fähigkeit nicht mehr ausreichend, da die Anforderungen an die Robotik inzwischen um ein Vielfaches höher sind.

Roboter in der Intralogistik müssen im Stande sein, eine Vielzahl unterschiedlicher Objekte zu erkennen, zu identifizieren und zu greifen. Außerdem müssen sie ihre Umgebung wahrnehmen, sich darin orientieren und navigieren. Erst dann ist es möglich, dass sie intelligent mit ihrer Umwelt interagieren und parallel zum Menschen arbeiten können. Benötigt werden Roboter, die sich in für Menschen gemachten Umgebungen zurechtfinden, Entscheidungen selbstständig treffen und sicher im menschlichen Umfeld arbeiten können. Bisherige Intralogistiklösungen können durch genau solche mobilen und perzeptionsgesteuerten Kommissionier-Roboter ergänzt werden. Die Vernetzung dieser intelligenten Maschinen mit den vorhandenen Lagersystemen ermöglicht einen automatisierten, stückgenauen Zugriff auf einzelne Artikel oder Ladungsträger.

Genau für diesen Einsatzzweck entwickelte das Start-up Magazino den Kommissionier-Roboter SOTO.  Die überwiegend manuellen und komplexen Intralogistikprozesse können durch ihn flexibel und skalierbar automatisiert werden. Als Resultat ergeben sich ausgedehnte Betriebszeiten, eine Glättung von Auftragsspitzen sowie eine Reduzierung von Betriebs- und Prozesskosten. Vor allem ermöglicht der mobile Roboter eine Entlastung für die Mitarbeiter bei ergonomisch ungünstigen Aufgaben.

Im Fokus steht der Einsatzbereich zur Handhabung und zum Transport von Kleinladungsträgern (KLT), wie sie vor allem in Montageumgebungen zu finden sind. Die Behälter finden Verwendung für die Materialnachschubversorgung direkt an den Montagelinien, um eine hohe Varianz an Bauteilen nah am Einsatzort bereitzustellen.

Der Roboter bekommt seine Aufträge via WLAN vom Lagerverwaltungssystem, fährt zum Zielort, lokalisiert und identifiziert das Zielobjekt mit 3D- und 2D-Kameras. Mit einem adaptiven Greifer nimmt er die KLT von verschiedenen Aufnahme- und Abgabepunkten in unterschiedlichen Höhen, legt den gegriffenen KLT in seinem Zwischenspeicher ab und navigiert anschließend zu den Montagestationen, wo der einzelne Transportbehälter wieder abgegeben wird. Beispielsweise in ein Schrägschachtregal. Leergut kann im gleichen Schritt direkt wieder eingesammelt und mitgenommen werden.

Dieser Roboter ist eine der ersten mobilen Lösungen im Markt, die Objekte nicht nur auf einer festgelegten Höhe sondern flexibel auf verschiedenen Höhen beziehungsweise Positionen aufnehmen und abgeben kann.

Kleinladungsträger mit einem Gewicht von 15 kg. Bis zu 10 Behälter kann der Roboter in seinem Rucksack-Regal zwischenlagern.

Kleinladungsträger mit einem Gewicht von 15 kg. Bis zu 10 Behälter kann der Roboter in seinem Rucksack-Regal zwischenlagern.

Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kommt flexible Robotertechnologie zum Einsatz und eine Zusammenarbeit mit Menschen – auch in komplexen Situationen – wird so erst möglich. Konkret wird die Inbetriebnahme der Anwendung schneller, die Robustheit erhöht und die Performance verbessert.

KI macht es auch möglich, dass aus Erfahrungswerten und aktuell verfügbaren Daten gewisse Vorhersagen getroffen werden können (Peaks, Lagerauslastung, Platz- und Wege- Optimierung). Auch der mobile Roboter nutzt bestimmte Aspekte von KI. Um zum Beispiel ein Objekt bereits im ersten Anlauf perfekt zu greifen, kann der Roboter seine Erfahrung nutzen. Schließlich wird vor jedem Griff des Roboters mit 2D- und 3D-Kameras ein Bild vom Objekt und dessen Umgebung gemacht. Auf Basis des Bildes plant der Roboter den Griff mithilfe seiner Algorithmen – quasi nach „bestem Wissen und Gewissen“ und führt ihn aus. Anschließend weiß der Roboter immer, ob Planung und Durchführung von Erfolg gekrönt waren – oder ob sich das Objekt beispielsweise beim Zugriff verhakt hat. Mit den Daten von hunderten Zugriffen können neuronale Netze gefüttert werden. Daraus lassen sich Regelmäßigkeiten erkennen und der Roboter kann beim nächsten Mal Empfehlungen herleiten, wie er in dieser Situation am besten handelt und seinen Zugriff plant – auch wenn er genau diese Situation noch nie erlebt hat.

Die Roboter der Zukunft brauchen also ein „Gehirn“ – und dazu braucht es radikal neue Software. Früher wurden Roboter für eine bestimmte Aufgabe mit einem bestimmten Code programmiert – das funktioniert heute nicht mehr. Da der Roboter mit dem Chaos des Menschen klarkommen muss, muss er mit einer unendlichen Anzahl an unbekannten Situationen souverän umgehen können.

Während Magazino schon jetzt in der realen Welt mit den Robotern lernt, echte Probleme zu lösen, entsteht Software, die hilft, in der Zukunft ganz andere Probleme zu lösen. Der Roboter benutzt heute schon zu großen Teilen die Software, welche für den Einsatz des mobilen Pick-Roboters TORU im Schuhlager entwickelt wurde. Auch wenn der mobile Roboter etwas anders arbeitet und andere Gliedmaßen hat – die meisten Aufgaben und Fragestellungen bleiben für ihn ähnlich: Wo bin ich gerade? Wie komme ich zum Zielort? Wie erkenne ich das Objekt, das gegriffen werden soll? Wie teile ich das Wissen mit meinen Roboterkollegen?

In Zukunft kommt es immer weniger auf die Hardware, dafür noch viel stärker auf die Software des Roboters an. Denn dort liegen die Stellschrauben für Performance, Robustheit und Lernfähigkeit.

Bild links:
Komplett autonom: Der Supply-Chain-Roboter
mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1,5 m/s.

2019-07-23 Mobile Roboter für die Nachschubversorgung
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Future Manufacturing