Künstliche Intelligenz als Problemlöser
Selbst jetzt, wo die Automatisierung von Fabriken extrem voranschreitet, sind zahlreiche Prozesse in der Fertigung nach wie vor von manuellen Tätigkeiten geprägt. Ganz besonders trifft das auch die Qualitätskontrolle zu. Hier gibt es durch künstliche Intelligenz in Kombination mit Kameratechnik allerdings neue Möglichkeiten zur Automatisierung der Prozesse.
Steigende Produktionskosten, Fachkräftemangel, Digitalisierung: Diese Trends machen vor keiner Branche Halt. Hinzu kommen hohe Ansprüche an Präzision und Qualität. Manuelle Prozesse können die Erwartungen an einen reibungslosen Arbeitsablauf, an das Produkt, aber auch an die Ressourceneffizienz kaum noch erfüllen.
Die manuelle Qualitätskontrolle hat darüber hinaus spezifische Schwächen: Sie ist zeitaufwändig und die Genauigkeit der Prüfungen hängt naturgemäß von der Qualifikation und der Tagesform der Mitarbeiter ab. Insbesondere in strukturschwachen Regionen sind Mitarbeiter zudem immer schwerer zu finden.

Oberflächendefekte aus Metall sind mi KI-Algorithmen gut zu erkennen.
Diese Fakten verdeutlichen, dass die Automatisierung von Qualitätskontrollen in vielerlei Hinsicht Vorteile bringt. Der Gedanke, Qualitätskontrollen zu automatisieren, ist dabei nicht neu. Bereits seit einiger Zeit setzen Unternehmen Kameras und Bildverarbeitungssoftware ein, um ihre Produkte zu überprüfen. In bestimmten Szenarien funktioniert die Technologie, die auf der Entwicklung von Regeln für die Fehlererkennung beruht, auch sehr zuverlässig. Allerdings sind die Grenzen schnell erreicht, wenn eine hohe Fehlervariabilität vorliegt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Kratzer, Risse oder Einschlüsse auf Oberflächen unterschiedliche Formen annehmen oder an verschiedenen Stellen eines Produkts auftreten können. Diese Variabilität ist schwer in Regeln zu definieren und kann im Einsatz in der Produktionslinie bei falscher Erkennung zu hohem Pseudoausschuss führen.
Die Erkennung von Defekten mit künstlicher Intelligenz funktioniert auf Basis von Beispielbildern. Die KI-Software wird anhand von Bildern trainiert und lernt, zwischen einem guten und einem defekten Produkt zu unterscheiden, ähnlich dem menschlichen Lernprozess. In der Praxis bedeutet es, dass Unternehmen Bauteile mit und ohne Defekte zur Verfügung stellen, von denen mit industriellen Kameras Bilder aufgenommen und mit dem jeweiligen Label, beispielsweise „IO” oder „NIO-Kratzer”, versehen werden. Durch die Weiterentwicklung der Algorithmen benötigt man heute nur noch wenige hundert Bilder pro Kategorie, keine 10.000 Bilder mehr, bis das System funktionsfähig ist.
Nachdem das System einsatzfähig ist läuft der kontinuierliche Lernprozess weiter und führt dazu, dass die Erkennung von Defekten mit der Zeit ständig besser wird und das System weitere Defekte dazu lernt. Besonders gut funktioniert diese Technologie bei Oberflächendefekten, wie Kratzern
oder Rissen, die einen hohen Grad an Variabilität aufweisen. Hier ersetzt sie die Notwendigkeit, Regeln für komplexe Fehlermerkmale zu definieren. Außerdem kann das KI-Modell anhand der Beispielbilder die Variabilität der Defekte lernen und wird dadurch robuster gegen äußere Einflüsse.
Diese Technologie eignet sich besonders gut zur Automatisierung der Qualitätsprüfung am Ende einer Produktionslinie, die eine Vielzahl möglicher Fehler beinhalten kann.
Allerdings sollte KI nicht als ein Allheilmittel für die Qualitätskontrolle angesehen werden, sondern als ein weiteres Werkzeug zur Optimierung des Prozesses. Für einige Verfahren wie das millimetergenaue Messen von Abständen funktionieren herkömmliche Prüftechniken nach wie vor besser als auf neuronalen Netzen beruhende KI-Algorithmen.
Für die Zukunft ist gut vorstellbar, dass KI auch in unterschiedlichen vorgelagerten Schritten zur Anwendung kommt. Insbesondere für die Früherkennung von Fehlern ist das Potenzial enorm. Fehlerhafte Teile könnten hierdurch bereits früh aussortiert werden, ohne unbemerkt den gesamten Prozess zu durchlaufen.
Bild links:
Manfred Otawa
VDMA Verlag
