Industrielle Bildverarbeitung liefert neue Methoden zur Oberflächeninspektion
Johannes Hiltner, MVTec Software
Trends wie Industrie 4.0 und Smart Factory ebnen den Weg zu integrierten Produktions- und Logistikabläufen – und erfordern ebenso intelligente Begleittechnologien. Eine wichtige Rolle spielt die industrielle Bildverarbeitung, die sich rapide weiterentwickelt. Gegenstände können durch das Scannen von Oberflächen präzise erkannt werden. Zudem lassen sich fehlerhafte Produkte identifizieren und aussortieren. Oberflächenbasierende 3D-Matching-Technologien sorgen dafür, dass Roboter die Position von Objekten exakt bestimmen und diese sicherer greifen können.
Im Zuge neuer, integrierter Fertigungskonzepte boomt die industrielle Bildverarbeitung(Machine Vision). Sie hat sich zur unverzichtbaren Technologie für die fortschreitende Automatisierung industrieller Produktionsprozesse entwickelt. Als „Auge der Fertigung“ beobachtet und optimiert Machine Vision das Geschehen in der Produktion. Dabei werden an verschiedenen Stellen Bildeinzugsgeräte wie hochauflösende Kameras platziert. Diese nehmen den Prozess aus unterschiedlichen Perspektiven auf und generieren umfassende digitale Bilddaten, die dann mit
einer Machine-Vision-Software verarbeitet werden.
Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, die sich für Prozesse in Produktion, Qualitätssicherung und Logistik quer durch alle Branchen nutzen lassen. Im Mittelpunkt stehen immer die visuelle Erkennung und Identifikation von Objekten zum Zweck der industriellen Weiterverarbeitung. Ein besonderer Vorteil der industriellen Bildverarbeitung besteht in den zuverlässigen Erkennungsraten sowie der hohen Geschwindigkeit und Flexibilität, mit der Bildinformationen verarbeitet werden.
Ein Anwendungsszenario der industriellen Bildverarbeitung ist die sichere Identifikation von Gegenständen anhand der Oberfläche. Es geht nicht nur um die Erkennung der Objekte an sich, sondern auch um deren korrekte Beschaffenheit. Mit Machine-Vision-Funktionen für die Inspektion lässt sich prüfen, ob die Oberfläche so ist, wie sie sein soll – oder ob sie vom Sollzustand abweicht. Dadurch werden fehlerhafte Teile oder Produkte zweifelsfrei erkannt und aussortiert. Das Verfahren findet Anwendung in der Elektronikfertigung: Unterschiedliche Komponenten, die einander sehr ähneln wie Platinen oder Leiterplatten lassen sich nicht nur eindeutig voneinander unterscheiden, sondern auch präzise auf Fehler inspizieren. Dies beschleunigt den Fertigungsprozess und sichert die Qualität.
Herausforderung Textur-Klassifikation
Eine Herausforderung bei der Erkennung und Inspektion von Oberflächen bilden Objekte mit Texturen. Dabei handelt es sich um Strukturen mit vielen verschiedenen Ausprägungen oder filigranen Musterungen, die Schwankungen in Farbe und Helligkeit aufweisen. Dazu zählen etwa Werkstoffe aus Holz oder ähnlichen Materialien wie Laminate und Furniere, Fliesen oder textile Stoffe. Bildverarbeitungstechnologien vermessen diese Objekte, erkennen Defekte und klassifizieren die jeweiligen Texturen. Zum einen lassen sich verschiedene Produktklassen feststellen: Handelt es sich beispielsweise um Holz aus Buche, Eiche oder Fichte? Zum anderen können einzelne Fehlerklassen ermittelt werden: Kann das Holzprodukt aufgrund eines geringfügigen Fehlers zu einem günstigeren Preis verkauft werden? Oder muss es als Ausschuss komplett aussortiert werden?

Sehen in 3D: Objekte und Ihre Position im Raum werden schnell und sicher erkannt

Texturinspektioen: Das Erkennen von Defekten
In Laminat oder Fliesen erkennen Machine-Vision-Verfahren auch winzige Ausbrüche, die mit bloßem Auge kaum zu sehen sind. Ähnliches gilt für Webfehler in Textilien. Hierfür bietet beispielsweise MVTec mit der neuen Version der Bildverarbeitungs-Software einfach zu handhabende Funktionen: Es genügen bereits ein bis zwei Beispielbilder, die einwandfreie Materialien zeigen, um durch einen Vergleich die Abweichung festzustellen.
Damit lässt sich eine große Bandbreite von verschiedenen Texturen mit wenigen Parametern klassifizieren, was die Oberflächeninspektion entsprechender Texturen deutlich vereinfacht. Eine weitere Technologie, das so genannte photometrische Stereo ermöglicht dreidimensionale Inspektionsverfahren, also auch die Erkennung von Defekten, die über die Oberfläche von Objekten hinausragen. Dazu zählen Einschlüsse von Luftblasen oder Staubkörnern in beschichteten Materialien. Dabei wird der Gegenstand mit Licht aus unterschiedlichen Richtungen beleuchtet – durch spezielle Schattenwürfe erkennt die Bildverarbeitungstechnologie den Produktfehler.
Montage durch humanoide Roboter
Ein weiteres 3D-basierendes Verfahren, das oberflächenbasierende Matching, dient der exakten Positionsbestimmung von Objekten im Raum. Neben Aufnahmen von Musterbildern können auch CAD-Daten der Bauteile herangezogen werden, die bereits digital im System vorliegen. Durch die Wahrnehmung von Kanten und Rundungen erkennt die Bildverarbeitungs-Software den Gegenstand und dessen Position im Raum.

Humanoide Roboter unterstützen Menschen bei der Arbeit
Dies ist bedeutsam für das so genannte Bin Picking, also den gezielten Griff eines Roboters nach einem bestimmten Teil beispielsweise für Montagezwecke. Dadurch lässt sich auch die Fertigung von flachen Objekten wie Lichtschaltern oder Steckdosen automatisieren: Roboter können mittels Bildverarbeitung einzelne Bestandteile erkennen, greifen und zusammenfügen.
Die Montage solcher filigranen Produkte war bisher nur durch Menschen möglich. In naher Zukunft ist die Zusammenarbeit von Personen und einer neuen Generation von humanoiden Robotern denkbar. Dabei können sich die Akteure das Montageobjekt quasi von Hand zu Hand reichen. 3D-basierende Machine-Vision-Technologien sorgen für Sicherheit und helfen, Kollisionen zwischen Mensch und Roboter zu vermeiden.
