Fraunhofer IOSB-INA entwickelt autarken und kompakten Fehlerdetektiv

Je komplexer eine Produktionslinie, um so aufwendiger ist die Ursachenforschung bei Fehlern, Störungen oder Qualitätsmängeln. Für jede Station im Anlagenverbund hilft die Erfassung von Prozessdaten, um den Gesundheitszustand einer Anlage zu bestimmen – denn das kann helfen, Stillstandzeiten zu reduzieren. Praktische Hilfe hierfür kommt jetzt aus Lemgo: Das Fraunhofer IOSB-INA hat nun den intelligenten Werkstückträger „INAcarry“ zur datengetriebenen Fehleranalyse in Unternehmen entwickelt. Die kompakte und vielseitige Sensorik-Einheit nutzt Förderstrecken, um unterschiedliche Umgebungs- und Maschinendaten der Produktion zu erfassen, zu sammeln und drahtlos zu übertragen.

Maschinendaten sind Grundlage aller Digitalisierungs- oder Industrie 4.0-Applikationen. Um Bestandsanlagen nun ebenfalls aufzurüsten, müssen relevante Prozessdaten mit möglichst wenigen Sensoren erhoben werden. Sie sind der Hebel, um einzelne Maschinen oder ganze Produktionslinien digital abzubilden, zu analysieren und auf dieser Basis transparenter, effizienter und flexibler zu machen. An den Bestandsanlagen werden Temperatur, Leistungsaufnahme, Vibration, Schall, Luftdruck und viele andere Prozessgrößen durch externe Sensorik gemessen und mit den Kennzahlen (Key Performance Indicator, KPI) der Produktion verglichen.

NAcarry ist die neue Entwicklung von Gruppenleiter Dr. Holger Flatt und seinem Team. Das Konzept ist denkbar einfach: Ein Werkstückträger, der sich auf Förderstrecken von Station zu Station durch die Produktion bewegt, ist mit einem Satz an Sensorik bestückt und kann so unterschiedliche Umgebungsdaten wie beispielsweise Temperatur, Luftfeuchtigkeit und -Qualität oder Druck erfassen. Insbesondere bei Produkten, deren Herstellung durch Umweltfaktoren beeinflusst wird, ist es sinnvoll, diese Daten im Zusammenhang abzubilden und zu analysieren. INAcarry erfasst jedoch auch maschinenbezogene Daten wie Vibration, Betriebstemperatur, Ausleuchtung und Betriebsgeräusche. Das Besondere an der Lösung ist, dass der Sensorikträger auf der Förderstrecke autark seinen Weg durch die gesamte Produktion nimmt und somit ein ganzheitliches Datenbild erstellen kann – ohne dass stationäre Sensorik oder zusätzliches Personal eingesetzt werden muss. So gelangt ein Unternehmen kosteneffizient zu einer Datenbasis – jeweils mit Fokus auf dem sensiblen Produktionsabschnitt oder derjenigen Maschine, die es zu analysieren oder zu optimieren gilt.

Harry Fast M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Entwickler des neuen INAcarry Systems.

Harry Fast M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Entwickler des neuen INAcarry Systems.

Obwohl es sich bei dem System um eine kosteneffiziente Lösung handelt, die gleichzeitig einen grundsätzlichen Einstieg in die Digitalisierung bieten kann, sind auch diese neuesten Technologien kompatibel, sowohl im Bereich der Datenübertragung als auch hinsichtlich der Datenanalyse. Insbesondere auf der Suche nach unbekannten Fehlern oder unklaren Ursachen für Produktionsmängel liefert INAcarry eine Grundlage zur Analyse durch Algorithmen des maschinellen Lernens. Diese können anhand von Modellen Anomalien erkennen und technische Bezüge sowie Ursachenzusammenhänge herstellen. „Beim Retrofitting mit INAcarry geht es um nachvollziehbare und direkte Messgrößen, zum Beispiel um Schwingungen, erklärt Harry Fast, verantwortlicher Entwickler des Systems, „sie verrät uns viel über Laufruhe, Reibungen, Erschütterungen – d.h. über die technische Integrität, den ‚Gesundsheitszustand‘ der Maschine. Bei Predictive Maintentance- Applikationen beispielsweise ist dies sehr wichtig.“

Die Daten werden für die Analyse drahtlos übertragen und in einer Datenbank abgelegt. Dafür ist INAcarry schon jetzt für den zukünftigen Funkstandard 5G vorbereitet. „Für Anwendungen wie diese ist eine besonders robuste drahtlose Kommunikation notwendig. 4G/5G-Campusnetze bieten hier neue Potenziale“, erklärt Gruppenleiter für Industrielle Kommunikation und IoT, Sebastian Schriegel.

Laut Holger Klatt ermöglicht INAcarry eine einfach integrierbare und kostengünstige Möglichkeit zur Überwachung von ganzen Produktionssystemen mit nur einem Sensorsystem und sei dadurch speziell für klein- und mittelständische Unternehmen, die sich bisher noch nicht oder kaum mit dem Thema Datenerfassung beschäftigt haben, eine einfach integrierbare und kostengünstige  Möglichkeit zur Überwachung von ganzen Produktionssystemen mit nur einem Sensorsystem.

Bild links:
Das dezentrale Produktionsdatenerfassungssystem INAcarry von Fraunhofer, Lemgo

2020-06-17 Fraunhofer IOSB-INA entwickelt autarken und kompakten Fehlerdetektiv
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