Ersatzteile aus dem 3D-Drucker
Die additive Fertigung ist eine große Chance für das Ersatzteilmanagement. Bereits heute lassen sich durch additive Verfahren attraktive Alternativen zu herkömmlichen Produktionsmethoden darstellen. Durch das häufig anzuwendende Reverse Engineering (Rückführung auf die Konstruktionsebene) handelt sich dabei aber häufig um komplexe Aufgaben, die deutlich über die reine Vermessungstätigkeit hinausgehen und vom Aufwand her nicht unterschätzt werden sollten.
Additive Verfahren haben sich in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt und ihre Serientauglichkeit in vielen Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Fahrzeug- und Maschinenbau, Bahn-und Medizintechnik unter Beweis gestellt. So ist es naheliegend, diese Verfahren auch für Ersatzteile einzusetzen.
Insbesondere bei Produkten, die durch geringe Verkaufsmengen bei gleichzeitig hoher Volatilität im Bestellverhalten gekennzeichnet sind (sogenannte Langsamdreher) bieten die 3D-Druckverfahren große Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren:
– Durch die werkzeuglose Fertigung lassen sich Rüstzeiten einsparen, was zu deutlich reduzierten Lieferzeiten führt.
– Produktionen lassen sich deutlich besser an die tatsächliche Nachfrage anpassen und sind nicht mehr an (tendenziell zu große) Serienlose gebunden, was zu einer deutlichen Reduzierung von Lagerbeständen von Vorprodukten führt.
– Erst der 3D-Druck ermöglicht die Integration von mehreren Funktionen in ein Bauteil und die Zusammenführung mehrerer (konventioneller) Bauteile zu einem sogenannten Single-Print.
Als Materialien steht bereits eine Vielzahl von erprobten Legierungen zur Verfügung; das Spektrum reicht von Aluminium über verschiedene Stähle bis hin zu eher exotischen Materialien wie Titan. Damit lassen sich Bauräume bis zu 800 x 400 x 500 Millimetern realisieren.
Allerdings stellen sich beim Einsatz additiver Technologien einige Herausforderungen. Wenn man über Ersatzteile und Langsamdreher spricht, dann handelt es sich sehr oft um ältere Bauteile, für die keine 3D-Daten zur Verfügung stehen. Häufig sind auch die 2D-Zeichnungen nicht immer auf dem aktuellen Stand, sofern sie überhaupt vorliegen. Dazu stellt sich noch die Frage der Leserlichkeit solcher Zeichnungen, die ja häufig schon einige Jahre alt sind. Die Ausgangsbasis ist also in der Regel lückenhaft.
Der erste Schritt hin zu 3D-fähigen Unterlagen ist fast immer die Vermessung durch ein 3D-Laser-Scanning. Je nach Bauteilgeometrie wird dieser Schritt nicht ausreichend sein, da beispielsweise tiefe Bohrungen und Hohlräume vom Laser-Scanner nur rudimentär erfasst werden. Ergänzend müssen daher meistens maschinelle und manuelle Messverfahren angewendet werden.
Im nächsten Schritt wird die im Scan erzeugte 3D-Punktewolke in sogenannte NURBS-Flächen (nicht-uniforme, rationale B-Splines) umgewandelt. Die Ergebnisse werden dann mit denen der maschinellen und manuellen Messung ergänzt und zu einem 3D-Volumenmodell zusammen geführt, das idealerweise parametrisch aufgebaut und somit manipulierbar ist. Dieses 3D-Modell stellt die Ausgangsbasis für die weiteren Arbeiten dar. Dabei kann es sich um Berechnungen zu Festigkeitsnachweisen handeln, ebenso müssen eventuell Passungen, Toleranzen, Oberflächenbeschaffenheiten und andere Merkmale definiert werden. Bei komplexen Baugruppen kommen weitere Entwicklungsschritte dazu.

Bei älteren Ersatzteilen stehen häufig keine 3D-Daten zur Verfügung. Dann müssen sie separat erfasst werden
Jedoch müssen auch gerade im Ersatzteilbereich einige Einschränkungen beachtet werden. Aus Akzeptanzgründen besteht beispielsweise in der Regel die Kundenforderung, dass die Geometrie des nachgefertigten Bauteils mit der des Originalteils übereinstimmen muss. Es soll sich also um eine Eins-zu-Eins-Kopie handeln. Damit lassen sich jedoch Vorteile additiver Verfahren nicht oder nur eingeschränkt umsetzen, da zum Beispiel topologische Optimierungen zur Gewichtsreduzierung zu einem deutlich abweichenden Aussehen führen und damit am Markt teils auf Ablehnung stoßen, obwohl die Funktionalität vollständig gegeben ist.
Die rechtlichen Aspekte und insbesondere die Frage der Produktfreigabe sind nicht zu vernachlässigen, da der Inverkehrbringer der Produkthaftung unterliegt. Ein unautorisierter Nachbau von Ersatzteilen ohne Einbindung des Originalherstellers ist daher nicht zu empfehlen.
Die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit und die Forderung nach einer exakten Kopie erweisen sich an dieser Stelle durchaus als Vorteil. Bei sachgerechter Ausführung der Konstruktion und richtiger Materialwahl darf man dann beruhigt davon ausgehen, dass das Ersatzteil mit Hilfe des
3D-Drucks den Anforderungen der Praxis genauso gut standhält wie die Vorlage. In vielen Festigkeitsversuchen haben 3D-Druckteile sogar besser abschnitten als entsprechende Teile aus
Druckguss. Die additiven Verfahren führen zu einer gleichmäßigen Gefügestruktur, während Schwindungsprobleme und Lunker in der Regel entfallen.
