Anstieg der Arbeitskosten in Deutschland unter EU-Durchschnitt
Die Arbeitskosten in Deutschland sind 2018 nominal um 2,3 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg liegt einen halben Prozentpunkt niedriger als im Mittel der EU. Trotz des langjährigen wirtschaftlichen Booms rangiert Deutschland damit weiterhin lediglich im oberen Mittelfeld Westeuropas. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Arbeits- und Lohnstückkostenreport des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf.
Mit Arbeitskosten von 35 Euro pro Stunde lag die Bundesrepublik 2018 unverändert an sechster Stelle hinter den EU-Ländern Dänemark, Luxemburg, Belgien, Schweden und Frankreich. Die Niederlande, Finnland und Österreich haben mit etwas mehr als 34 Euro pro Stunde fast die gleichen Arbeitskosten wie Deutschland.
Im Gesamtzeitraum seit 2001 errechnet sich mit 2,1% im Jahresdurchschnitt der drittniedrigste Anstieg nach den Euro-Krisenländern Griechenland und Portugal. Es bestehe „weiterhin noch Spielraum nach oben“, schreiben die Studienautoren Prof. Dr. Alexander Herzog-Stein, Dr. Ulrike Stein und Dr. Rudolf Zwiener. Gerade unter dem Aspekt einer stabilen Binnennachfrage können Reallohnzuwächse die deutsche Wirtschaft in Zeiten schwieriger internationaler Rahmenbedingungen wirkungsvoll schützen. Ohne robuste Lohnerhöhungen sei eine starke Konsumnachfrage nicht denkbar.
Auch bei den Lohnstückkosten, die die Arbeitskosten ins Verhältnis zum Produktivitätsfortschritt setzen, weist Deutschland für den Zeitraum von 2000 bis Ende 2018 eine moderate Tendenz auf. Trotz einer stärkeren Steigerung in den vergangenen Jahren sind sie seit Beginn der Währungsunion deutlich schwächer gestiegen als in fast allen anderen Mitgliedsstaaten des Euroraums – und schwächer, als mit dem Inflationsziel der EZB vereinbar ist. Die deutsche Lohnstückkostenentwicklung lag zuletzt laut IMK immer noch um kumuliert knapp 7 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Euroraums und gut 10 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt des Euroraums ohne Deutschland. Das langjährige extrem schwache Wachstum der deutschen Lohnstückkosten trug zu den ausgeprägten wirtschaftlichen Ungleichgewichten im Euroraum bei.
Eine langfristig „stabilitätskonforme“ Wachstumsrate der Lohnstückkosten liegt nach Analyse des IMK bei knapp zwei Prozent pro Jahr – der EZB-Zielinflationsrate. Dieser Wert ist im Jahr 2018 im Euroraum mit 1,9 Prozent erreicht worden. Im längerfristigen Durchschnitt seit 2000 nahmen die deutschen Lohnstückkosten aber nur um 1,1 Prozent im Jahr zu.
Um Deutschland und den EU-Staaten ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, empfehlen die Ökonomen eine makroökonomisch ausgerichtete Lohnpolitik, die sich an der Summe aus EZB-Zielinflation und dem längerfristigen Trend des Produktivitätszuwachses orientiert. Diese Marke sei in den 2000er Jahren deutlich unterschritten worden, wobei insbesondere die mittleren und niedrigeren Löhne deutlich hinter der durchschnittlichen Produktivität zurückgeblieben sind, zeigen die Forscher. Die stärkeren Zuwächse seit Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise hätten den Rückstand lediglich „zum Teil etwas korrigiert“.
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Manfred Otawa
